A-1080/2014

Urteil vom 2. Oktober 2014

Besetzung

Richter Jürg Steiger (Vorsitz),

Richter Daniel Riedo, Richterin Marie-Chantal May Canellas,

Gerichtsschreiber Stefano Bernasconi.

Parteien

A._______, ...,

vertreten durch ABT Treuhandgesellschaft AG,

Beschwerdeführerin,

gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV,

Hauptabteilung Mehrwertsteuer,

Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand

Erlassgesuch MWST (1. Januar 2010 bis

30. September 2013).

Sachverhalt:

A.

A._______ (nachfolgend: Steuerpflichtige) führt ein Einzelunternehmen mit einer Praxis für medizinische Massagen. Sie ist nicht im Handelsregister eingetragen.

B.

Mit zwei Schreiben vom 13. März und 26. April 2013 teilte die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) der Steuerpflichtigen - auf deren Nachfragen hin - mit, dass ihr Einzelunternehmen subjektiv mehrwertsteuerpflichtig sei und die von ihr erbrachten Leistungen nicht von der Steuer ausgenommen seien.

C.

Die Steuerpflichtige meldete sich hierauf mit entsprechendem "Fragebogen zur Abklärung der Mehrwertsteuerpflicht" vom 30. Mai 2013 bei der ESTV an und wurde mit Wirkung ab dem 1. Januar 2008 als mehrwertsteuerpflichtige Person in das Register der ESTV eingetragen.

D.

Mit Schreiben vom 30. Mai und 12. Juli 2013 beantragte die Steuerpflichtige bei der ESTV den Erlass der Mehrwertsteuerforderung für die Jahre 2008 bis 2012 inklusive Verzugszinsen. Gleichzeitig wurde die ESTV ersucht, die Eintragung der Gesuchstellerin als mehrwertsteuerpflichtige Person zu überprüfen, da im Jahr 2012 die Umsatzgrenze von Fr. 100'000.- nicht mehr überschritten worden sei.

Nach verschiedenen Schreiben zwischen den Parteien betreffend die Höhe der Steuerforderung und deren Rechtskraft verlangte die Steuerpflichtige am 22. November 2013 schliesslich die Durchführung eines formellen Erlassverfahrens betreffend die Mehrwertsteuerforderung (Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 30. September 2013). Sie brachte dabei vor, sie sei überzeugt gewesen, dass ihre Tätigkeit als medizinische Masseurin eine von der Mehrwertsteuer ausgenommene Leistung darstellen würde. Sie habe ihr Einzelunternehmen deshalb nicht als mehrwertsteuerpflichtige Person angemeldet. Es sei ihr zudem nicht möglich bzw. nicht zumutbar, die Mehrwertsteuer ihren Kunden nachträglich in Rechnung zu stellen.

E.

Mit Schreiben vom 17. Januar 2014 teilte die Gesuchstellerin der ESTV mit, dass sie in den Jahren 2012 und 2013 die Umsatzgrenze von Fr. 100'000.- nicht überschritten habe und deshalb seit dem 1. Januar 2014 nicht mehr mehrwertsteuerpflichtig sei. Die ESTV löschte das Einzelunternehmen hierauf mit Wirkung auf den 31. Dezember 2013 im Register der Steuerpflichtigen.

F.

Mit Verfügung vom 31. Januar 2014 wies die ESTV das Erlassgesuch der Steuerpflichtigen ab. Sie begründete dies unter anderem damit, dass kein entschuldbarer Grund vorliegen würde; ob die übrigen Voraussetzungen für einen Erlass erfüllt seien, könne somit offen bleiben.

G.

Mit Eingabe vom 3. März 2014 erhob die Steuerpflichtige (nachfolgend auch: Beschwerdeführerin) Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Sie beantragt die Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung vom 31. Januar 2014 sowie die Gutheissung ihres Erlassgesuchs unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Staats. Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass ein entschuldbarer Grund für die Unterlassung der Rechnungsstellung vorliege, die Unzumutbarkeit der nachträglichen Überwälzung der Mehrwertsteuer gegeben sei sowie die Bezahlung der Steuer für sie eine grosse Härte bedeuten würde. Somit seien die Voraussetzungen für einen Erlass gegeben.

H.

Mit Vernehmlassung vom 7. April 2014 beantragt die Vorinstanz die vollumfängliche Abweisung der Beschwerde.

I.

Nach entsprechendem Hinweis durch das Gericht nahmen die Beschwerdeführerin (Eingabe vom 2. Mai 2014) und die Vorinstanz (Eingabe vom 15. Mai 2014) Stellung zur Frage der Rechtskraft der streitbetroffenen Mehrwertsteuerforderung.

J.

Auf die weiteren Vorbringen in den Eingaben der Parteien ist - soweit entscheidrelevant - in den nachfolgenden Erwägungen näher einzugehen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

1.1 Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG, sofern keine Ausnahme nach Art. 32 VGG gegeben ist. Eine solche liegt nicht vor und die ESTV ist eine Behörde im Sinn von Art. 33 VGG. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Behandlung der Beschwerde ist somit gegeben. Soweit das VGG nichts anderes bestimmt, richtet sich gemäss dessen Art. 37 das Verfahren nach dem VwVG.

Auf die form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten.

1.2 Das Bundesverwaltungsgericht kann den angefochtenen Entscheid grundsätzlich in vollem Umfang überprüfen. Der Beschwerdeführer kann neben der Verletzung von Bundesrecht (Art. 49 Bst. a VwVG) und der unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (Art. 49 Bst. b VwVG) auch die Rüge der Unangemessenheit erheben (Art. 49 Bst. c VwVG; André Moser/Michael Beusch/Lorenz Kneubühler, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2. Aufl., Basel 2013, Rz. 2.149). Jedoch ist es grundsätzlich nicht Sache der Rechtsmittelbehörden, den für den Entscheid erheblichen Sachverhalt von Grund auf zu ermitteln und über die tatsächlichen Vorbringen der Parteien hinaus den Sachverhalt vollkommen neu zu erforschen. Vielmehr geht es in diesem Verfahren darum, den von den Vorinstanzen ermittelten Sachverhalt zu überprüfen und allenfalls zu berichtigen oder zu ergänzen ([statt vieler] Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-3626/2009 vom 7. Juli 2010 E. 1.2, A 7164/2007 vom 3. Juni 2010 E. 1.5, A-310/2009 vom 7. Mai 2010 E. 1.4).

1.3 Im Beschwerdeverfahren gilt der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen. Das Bundesverwaltungsgericht ist verpflichtet, auf den unter Mitwirkung der Verfahrensbeteiligten festgestellten Sachverhalt die richtige Rechtsnorm und damit jenen Rechtssatz anzuwenden, den es als den zutreffenden erachtet, und ihm jene Auslegung zu geben, von der es überzeugt ist (Moser/Beusch/Kneubühler, a.a.O., Rz. 1.54, unter Verweis auf BGE 119 V 347 E. 1a). Aus der Rechtsanwendung von Amtes wegen folgt, dass das Bundesverwaltungsgericht als Beschwerdeinstanz nicht an die rechtliche Begründung der Begehren gebunden ist (Art. 62 Abs. 4 VwVG) und eine Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen (teilweise) gutheissen oder den angefochtenen Entscheid im Ergebnis mit einer von der Vorinstanz abweichenden Begründung bestätigen kann (sog. Motivsubstitution; vgl. BVGE 2007/41 E. 2 mit Hinweisen).

1.4 Am 1. Januar 2010 ist das (neue) Mehrwertsteuergesetz (MWSTG; SR 641.20) in Kraft getreten. Das vorliegende Erlassgesuch betrifft die Periode vom 1. Januar 2010 bis zum 30. September 2013, womit einzig das MWSTG zur Anwendung kommt. Vor dem 1. Januar 2010 war ein Steuererlass nur ausnahmsweise im Rahmen eines gerichtlichen Nachlassverfahrens möglich (vgl. Art. 51 des Mehrwertsteuergesetzes vom 2. September 1999 [aMWSTG, AS 2000 1300] in Kraft ab 1. Januar 2001).

2.

Der Bund erhebt eine allgemeine Verbrauchssteuer nach dem System der Nettoallphasensteuer (auch als Allphasensteuer mit Vorsteuerabzug bzw. Mehrwertsteuer bezeichnet; Art. 1 Abs. 1 MWSTG; Art. 130BV). Die Steuer wird auf den im Inland von steuerpflichtigen Personen gegen Entgelt erbrachten Leistungen (Inlandsteuer), auf dem Bezug von Leistungen von Unternehmen mit Sitz im Ausland durch Empfänger und Empfängerinnen im Inland (Bezugssteuer) und auf Einfuhren von Gegenständen (Einfuhrsteuer) erhoben (Art. 1 Abs. 2 MWSTG).

2.1 Gemäss Art. 92 Abs. 1 MWSTG kann die ESTV rechtskräftig festgesetzte Steuern ganz oder teilweise erlassen, wenn die steuerpflichtige Person:

a. die Steuer aus einem entschuldbaren Grund nicht in Rechnung gestellt und eingezogen hat, eine nachträgliche Überwälzung nicht möglich oder nicht zumutbar ist und die Bezahlung der Steuer eine grosse Härte bedeuten würde;

b. die Steuer einzig aufgrund der Nichteinhaltung von formellen Vorschriften oder aufgrund von Abwicklungsfehlern schuldet und erkennbar ist oder die steuerpflichtige Person nachweist, dass für den Bund kein Steuerausfall entstanden ist; oder

c. aus einem entschuldbaren Grund ihren Veranlagungspflichten nicht nachkommen konnte, nachträglich aber nachweisen oder glaubhaft machen kann, dass die durch die ESTV vorgenommene Ermessenseinschätzung zu hoch ausgefallen ist; in diesem Falle ist ein Steuererlass nur bis zur Höhe des zu viel veranlagten Betrages möglich.

Es ist unbestritten, dass vorliegend die Erlassgründe von Art. 92 Abs. 1 Bst. b und c MWSTG nicht zur Anwendung gelangen. Ebenfalls wurde das Gesuch nicht im Rahmen eines gerichtlichen Nachlassverfahrens gestellt, und es liegt somit kein Fall von Art. 92 Abs. 2 MWSTG vor. Nachfolgend beschränken sich die Ausführungen daher auf die Variante von Art. 92 Abs. 1 Bst. a MWSTG.

Gemäss Art. 92 Abs. 6 MWSTG regelt der Bundesrat die Voraussetzungen und das Verfahren für den Steuererlass näher. Von dieser Kompetenz hat er jedoch bis jetzt noch keinen Gebrauch gemacht (Guido Müller, in: MWST Kommentar, Schweizerisches Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer mit den Ausführungserlassen sowie Erlasse zum Zollwesen, Felix Geiger/Regine Schluckebier [Hrsg.], Zürich 2012 [nachfolgend: MWSTG Kommentar], Art. 92 N. 24).

2.2

2.2.1 Der Steuererlass stellt den Verzicht des Gemeinwesens auf einen ihm zustehenden steuerrechtlichen Anspruch dar, mit welchem das öffentliche Vermögen vermindert wird (Michael Beusch, Der Untergang der Steuerforderung, Zürich 2012, S. 188).

2.2.2 Der Steuererlass gehört nicht zur Steuerveranlagung, sondern zum Steuerbezug. Art. 92 Abs. 1 MWSTG sieht daher als allgemeine Voraussetzung vor, dass nur eine rechtskräftig festgesetzte Steuer erlassen werden kann. Im Erlassverfahren wird dann ausschliesslich geprüft, ob die gesetzlich statuierten Erlassvoraussetzungen erfüllt sind. Eine Revision der Steuerforderung selbst ist in einem solchen Verfahren nicht möglich. Die Erlassbehörde ist denn auch nicht befugt, Letztere nachzuprüfen (BVGE 2009/45 E. 2.3 [betrifft den Erlass der direkten Bundessteuer]; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A 6523/2012 vom 18. Juni 2013 E. 3.3.1 mit Hinweisen; Beusch, a.a.O., S. 209). Die Rechtskraft einer Mehrwertsteuerforderung beurteilt sich nach Art. 43 Abs. 1 MWSTG. Demnach wird die Steuerforderung rechtskräftig durch; (a) eine in Rechtskraft erwachsene Verfügung, einen in Rechtskraft erwachsenen Einspracheentscheid oder ein in Rechtskraft erwachsenes Urteil; (b) die schriftliche Anerkennung oder die vorbehaltlose Bezahlung einer Einschätzungsmitteilung durch die steuerpflichtige Person; oder (c) den Eintritt der Festsetzungsverjährung.

2.3 Die Gründe für einen Erlass liegen stets in der "Person" des Steuerschuldners (Beusch, a.a.O, S. 202). Neben der allgemeinen Voraussetzung der Rechtskraft der Steuerforderung müssen - soweit hier interessierend - folgende Voraussetzungen für einen Erlass der Steuer kumulativ erfüllt sein (Art. 92 Abs. 1 Bst. a MWSTG; Müller, MWSTG Kommentar, Art. 92 N. 13):

- Die steuerpflichtige Person befindet sich in Bezug auf ihre Steuerpflicht (Art. 10 MWSTG) oder ihre steuerbare Leistung im Irrtum und stellt deshalb keine Mehrwertsteuer in Rechnung:

- dieser Irrtum entstand aus einem entschuldbaren Grund;

- die Korrektur des Irrtums, d.h. die nachträgliche Überwälzung, ist nicht möglich oder kann der steuerpflichtigen Person nicht zugemutet werden; sowie

- die Bezahlung der Steuer würde eine grosse Härte bedeuten.

Die unbestimmten Rechtsbegriffe ("entschuldbarer Grund", "nachträgliche Überwälzung nicht zumutbar" sowie "grosse Härte") lassen der ESTV einen relativ grossen Ermessensspielraum bei der Beurteilung der Erlassgesuche (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-6523/2012 vom 18. Juni 2013 E. 3.3.2; Müller; MWSTG Kommentar, Art. 92 N. 14).

Die Entschuldbarkeit eines Irrtums kann gemäss Botschaft daran gemessen werden, ob eine andere Person unter den gleichen Voraussetzungen ebenso gehandelt hätte (Botschaft vom 25. Juni 2008 zur Vereinfachung der Mehrwertsteuer, BBl 2008 6885, 7013; Alois Camenzind/Niklaus Honauer/Klaus A. Vallender/Marcel R. Jung/Simeon L. Probst, Handbuch zum Mehrwertsteuergesetz [MWSTG], 3. Aufl., Bern 2012, N. 2377). Zudem wird in der Lehre vorgebracht, dass auch die von der Rechtsprechung und Lehre entwickelten Kriterien zur unverschuldeten Nichteinhaltung von Fristen im Rahmen des prozessrechtlichen Instituts der Fristwiederherstellung hilfsweise herangezogen werden könnten (Beusch, a.a.O., S. 218).

Ein möglicher Fall von Art. 92 Abs. 1 Bst. a MWSTG könnte ein Grundlagenirrtum über die objektive Steuerpflicht sein. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn die steuerpflichtige Person aus ebenso unzutreffenden wie entschuldbaren Gründen davon ausgegangen ist, ihre Leistung sei nicht mehrwertsteuerpflichtig, wobei eine spätere Überwälzung scheitert (vgl. Baumgartner/Clavadetscher/Kocher, a.a.O., § 10 N. 153).

2.4 Gemäss den Ausführungen des Bundesrats in der Botschaft zum MWSTG hat die steuerpflichtige Person keinen Anspruch auf einen Erlass der Steuer (BBl 2008 6885, 7014). Entsprechend ist in Art. 92 Abs. 1 MWSTG auch nur eine "Kann-Formulierung" zu finden. Dies wird in der Lehre kritisiert (vgl. Beusch, a.a.O., S. 231 ff., Baumgartner/Clavadetscher/Kocher, a.a.O., § 10 N. 156). So oder so und obwohl aus den Materialien hervorgeht, dass ursprünglich keine Anfechtungsmöglichkeit vorgesehen war, besteht gemäss Art. 92 Abs. 3 MWSTG - wie ganz allgemein auch bereits aufgrund von Art. 29a BV (Rechtsweggarantie) - die Möglichkeit der Beschwerdeführung an das Bundesverwaltungsgericht. Bei der gerichtlichen Überprüfung einer Verfügung der ESTV muss jedoch deren grosser Ermessensspielraum bei der Beurteilung der Voraussetzungen für einen Steuererlass beachtet werden. Überprüft wird aber die Einhaltung der Grenzen der Ermessensausübung (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-6523/2012 vom 18. Juni 2013 E. 3.4; Beusch, a.a.O., S. 232 f.; Camenzind/Ho­nauer/Vallender/Jung/Probst, a.a.O., N. 2377.).

3.

Im vorliegenden Fall gilt es nun zu untersuchen, ob die Voraussetzungen für einen Steuererlass nach Art. 92 Abs. 1 Bst. a MWSTG erfüllt sind.

3.1 Die Beschwerdeführerin befand sich unstreitig in einem Irrtum über die objektive Steuerpflicht der von ihr erbrachten Leistungen. Nachfolgend zu klären gilt es nun, ob dieser Irrtum entschuldbar gewesen ist.

3.2 Art. 21 Abs. 2 Ziff. 3 MWSTG sieht vor, dass gewisse Heilbehandlungen von Angehörigen der Heil- und Pflegeberufe von der Steuerpflicht ausgenommen sind, soweit der Leistungserbringer über eine Berufsausübungsbewilligung verfügt. Art. 35 Abs. 1 MWSTV (SR 641.201) präzisiert hierzu, dass ein Leistungserbringer oder eine Leistungserbringerin über eine Berufsausübungsbewilligung im Sinn von Art. 21 Abs. 2 Ziff. 3 MWSTG verfügt, wenn er oder sie: a) im Besitz der nach kantonalem Recht erforderlichen Bewilligung zur selbstständigen Berufsausübung ist; oder b) zur Ausübung der Heilbehandlung nach der kantonalen Gesetzgebung zugelassen ist.

In der MWST-Branchen-Info 21 (Gesundheitswesen) der ESTV wird in Ziff. 2.11 zuerst der Wortlaut von Art. 35 MWSTV wiederholt und danach ausgeführt, eine Bestätigung des Kantons, dass die betreffende Person zur Ausübung von Heilbehandlungen an kranken oder verletzten Personen berechtigt und zur Berufsausübung zugelassen ist, ist einer kantonalen Berufsausübungsbewilligung gleichgestellt. Ein Dokument, das bestätigt, dass der Beruf ohne Bewilligung ausgeübt werden kann, gilt nicht als Bestätigung im vorgenannten Sinn.

3.3 Die Beschwerdeführerin ist bis zur entsprechenden Mitteilung der ESTV davon ausgegangen, dass die von ihr erbrachten Leistungen von der Mehrwertsteuer ausgenommen seien. Erst nach der Mitteilung der ESTV deklarierte sie die geschuldete Mehrwertsteuer. Die Steuerforderung als solche wird nicht mehr bestritten.

Die Beschwerdeführerin bringt zur Entschuldbarkeit des Irrtums vor, es sei ihr durchaus bewusst gewesen, dass das Gesundheitsgesetz des Kantons Zürich für medizinische Masseure keine Berufsausübungsbewilligung gemäss Art. 35 Abs. 1 Bst. a MWSTV vorsehe. Sie habe jedoch Art. 35 Abs. 1 Bst. b MWSTV dahingehend interpretiert, dass sie aufgrund ihres anerkannten Diploms als medizinische Masseurin im Kanton Zürich zur Berufsausübung zugelassen sei. Wäre dies nicht der Fall, könnte sie nicht schon seit Jahren eine medizinische Massagepraxis führen. Die kantonalen Behörden hätten dies ansonsten unterbunden. Der Kanton Zürich habe absichtlich keine Bewilligungspflicht in sein Gesundheitsgesetz aufgenommen und lasse folglich bewusst ohne Bewilligung die Ausübung der Heilbehandlung zu. Da weiter medizinische Masseure in Art. 35 Abs. 2 Bst. k MWSTV namentlich erwähnt seien, habe sie von einer Mehrwertsteuerregistrierung abgesehen. Es sei nicht einzusehen, weshalb sie - die Beschwerdeführerin - als Laie hätte erkennen müssen, dass sie trotz offizieller Zulassung gemäss Diplom "Berufsausübung zur Med. Masseurin" nicht als zur Heilbehandlung Zugelassene entsprechend der kantonalen Gesetzgebung im Sinne von Art. 35 Abs. 1 MWSTV gelten sollte. Dies könne sie weder wissen noch hätte sie dies wissen müssen. Auch aus der MWST-Branchen-Info Nr. 21 könne nicht hergeleitet werden, dass im Kanton Zürich mangels Bewilligungspflicht sämtliche medizinischen Masseure bei Überschreiten der Umsatzgrenze mehrwertsteuerpflichtig würden. Dort stehe zwar, eine Bestätigung des Kantons, dass die betreffende Person zur Ausübung von Heilbehandlungen berechtigt und zur Berufsausübung zugelassen sei, sei einer Bewilligung gleichgestellt, da jedoch im Kanton Zürich keine solchen Bewilligungen ausgestellt würden, sei die Beschwerdeführerin folgedessen davon ausgegangen, dass der Kanton Zürich Personen mit entsprechendem Diplom ohne jegliche Bestätigung zur Berufsausübung zulasse. Selbst eine Steuerfachperson hätte nicht eindeutig erkennen können, dass medizinische Masseure im Kanton Zürich per se keine ausgenommenen Leistungen nach Art. 21 MWSTG erbringen könnten. Noch weniger könne dies eine steuerlich nicht ausgebildete Person erkennen.

3.4 Die Entschuldbarkeit eines Irrtums beurteilt sich daran, ob eine andere Person unter den gleichen Voraussetzungen ebenso gehandelt hätte (E. 2.3).

Die Praxis der ESTV betreffend die objektive Steuerpflicht der von der Beschwerdeführerin erbrachten Leistungen ergibt sich aus den Regelungen des MWSTG, der MWSTV und der MWST-Branchen-Info 21. Zudem sind auch die einschlägigen kantonalen Normen zu beachten. Für einen Laien sind solche Fälle, in welchen sich die richtige Gesetzesanwendung erst aus dem Zusammenspiel verschiedener Normen ergibt, nicht immer leicht zu verstehen. Ohne materiell auf die Regelung im Gesetz, der Verordnung sowie in der MWST-Branchen-Info Nr. 21 einzugehen, kann jedoch festgestellt werden, dass es sich im Falle der Beschwerdeführerin um einen ganz "normalen" Anwendungsfall dieser Regelungen handelt. Die Beschwerdeführerin betreibt eine Massage-Praxis im Kanton Zürich. Entgegen ihren Vorbringen verfügt sie aber über keine "offizielle Zulassung". Das von ihr eingereichte Diplom enthält keinerlei Hinweise, dass es von einer staatlichen bzw. einer staatlich anerkannten Schule ausgestellt worden wäre ([...]). Vielmehr handelt es sich beim Aussteller des Diploms um eine private Aktiengesellschaft, welche gemäss Handelsregistereintrag neben dem Verkauf von kosmetisch-medizinischen Produkten auch Kurse und Seminare durchführt ([...]). Dieser Umstand muss der Beschwerdeführerin bewusst gewesen sein. Die Beschwerdeführerin hat sich sodann in das "[...] Register [...]" eintragen lassen. Auch dieses wird von einer privaten Aktiengesellschaft geführt und es bestehen keinerlei Hinweise, dass dieses Register staatlich anerkannt wäre. Da die Beschwerdeführerin somit über keine irgendwie geartete "kantonale" Anerkennung bzw. Bestätigung verfügte, wie dies die MWSTV verlangt, hätte sie nicht darauf vertrauen dürfen, dass ihre Leistungen von der Steuerpflicht ausgenommen seien. Vielmehr hätte sie sich im Zweifelsfall bei der zuständigen Behörde oder einer Fachperson informieren müssen, welche ihr - ohne grossen Aufwand - die richtige Auskunft hätten erteilen können. Da die streitbetroffene Regelung in dieser Form bereits unter dem alten Mehrwertsteuergesetz (Art. 18 Ziff. 3 aMWSTG) galt und sich auch das Bundesgericht damit auseinandergesetzt hat (Urteil des Bundesgerichts 2A.331/2005 vom 9. Mai 2005), kann im Übrigen nicht davon die Rede sein, dass mit dem Inkrafttreten des neuen Mehrwertsteuergesetzes eine Rechtsunsicherheit über die Anwendung von Art. 21 Abs. 2 Ziff. 3 MWSTG bestanden habe.

Die Situation bei der Beschwerdeführerin ist also nicht als Spezialfall zu bezeichnen, sondern es handelt sich um einen "normalen" Anwendungsfall der gesetzlichen Regelung und der Praxis der ESTV. Im Kanton Zürich wird es unzählige Steuerpflichtige geben, welche die streitbetroffenen Leistungen korrekt abrechnen. Zudem liegen auch keine sonstigen besonderen Umstände vor. In einem solchen Fall kann ein - ohne Weiteres vermeidbarer - Irrtum über die Steuerpflicht der streitbetroffenen Leistungen nicht als entschuldbar bezeichnet werden (vgl. zur gleichen Problematik Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A 6523/2012 vom 18. Juni 2013 E. 4.3).

3.5 Ein entschuldbarer Irrtum im Sinne von Art. 92 Abs. 1 Bst. a MWSTG liegt somit nicht vor. Bereits aus diesem Grund ist der Erlass der Mehrwertsteuer nicht möglich und die weiteren Voraussetzungen müssen nicht mehr geprüft werden. Somit kann auch offen bleiben, ob - wie die Parteien übereinstimmend vorbringen - die Steuerforderung der Beschwerdeführerin überhaupt rechtskräftig festgesetzt wurde, obwohl offensichtlich keiner der in Art. 43 MWSTG genannten Fälle gegeben ist. Ob eine Steuerforderung rechtskräftig werden kann, wenn die ESTV - ohne Ausstellen einer Verfügung oder einer Einschätzungsmitteilung - und die steuerpflichtige Person sich über den Steuerbetrag "einig" sind und die steuerpflichtige Person auf ein Rechtsmittel verzichtet, braucht nicht entschieden zu werden.

4.

Es gilt nun noch über eine allfällige Kostenauferlegung zu entscheiden. Nach Art. 92 Abs. 5 MWSTG ist das Steuererlassverfahren kostenfrei. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden hat, betrifft dieser Artikel nur das Verfahren vor der ESTV. Das bundesverwaltungsgerichtliche Verfahren richtet sich demgegenüber nach den Bestimmungen des des VwVG (E. 1.1). Dieses sieht die Auferlegung der Kosten an die unterliegende Partei vor (Art. 37 VGG, Art. 63 VwVG; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A 6523/2012 vom 18. Juni 2013 E. 5.1).

Ausgangsgemäss hat daher die Beschwerdeführerin die Verfahrenskosten zu tragen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Diese sind auf Fr. 1'500.- festzusetzen (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Dieser Betrag wird dem Kostenvorschuss (Fr. 3'000.-) entnommen. Der Restbetrag von Fr. 1'500.- wird zurückerstattet. Eine Prozessentschädigung ist nicht zuzusprechen.

5.

Dieser Entscheid kann nicht mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht weitergezogen werden (Art. 83 Bst. m BGG).

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Verfahrenskosten von Fr. 1'500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. Dieser Betrag wird dem Kostenvorschuss (Fr. 3'000.-) entnommen. Der Restbetrag von Fr. 1'500.- wird zurückerstattet.

3.

Eine Prozessentschädigung wird nicht zugesprochen.

4.

Dieses Urteil geht an:

- die Beschwerdeführerin (Einschreiben)

- die Vorinstanz (Ref-Nr. [...]; Einschreiben)

Der vorsitzende Richter: Jürg Steiger

Der Gerichtsschreiber: Stefano Bernasconi