mwstnetzwerk Tagesseminar 26.09.25 - Programm und Anmeldung hier
Ein klares Ziel des ab 1. Januar 2010 gültigen neuen Mehrwert-
steuergesetzes vom 12. Juni 2009 (MWSTG) war es, für die Mehr-
wertsteuerpflichtigen eine höhere Rechtssicherheit zu schaf-
fen [1]. Aus diesem Grund wurde unter anderem die absolute
Festsetzungsverjährung, d. h. die Frist innerhalb der eine
Forderung durch die Eidg. Steuerverwaltung (ESTV) verbindlich
festgelegt werden muss, von 15 Jahren auf 10 Jahre verkürzt [2].
Diese Verkürzung ist absolut, d. h. die Forderung der ESTV
muss selbst bei Rechtsmittelverfahren innerhalb von 10 Jah-
ren durch eine rechtskräftige Einschätzungsmitteilung
oder ein rechtskräftiges Urteil festgesetzt sein. Gelingt das
nicht, so hat die Steuerpflichtige [3] die durch die ESTV ver-
langte Mehrwertsteuerforderung nicht zu bezahlen, da die
Forderung verjährt ist.
An sich ist diese verkürzte Festsetzungsfrist zu begrüssen.
Die Steuerpflichtige soll innerhalb einer vernünftigen Frist
wissen, welche Steuern sie zu bezahlen hat und welche nicht.
Leider führt die verkürzte absolute Festsetzungsverjährung
aber auch dazu, dass die ESTV mehr und mehr gezwungen
wird, nach Kontrollen und der Mitteilung des provisorischen
Kontrollergebnisses sofort Einschätzungsmitteilungen mit
Rechtsmittelbelehrungen zu verfügen. Damit kann sie si-
cherstellen, dass bei Erhebung von Rechtsmitteln aufgrund
der absoluten Festsetzungsverjährung nicht viele der in der
Kontrolle geltend gemachten Mehrwertsteuerforderungen
vor Entscheid durch das Bundesgericht bereits verjährt sind,
weil mehr als 10 Jahre abgelaufen sind.
Konkret führt das dazu, dass die ESTV bei einer Kontrolle
eines Steuerpflichtigen im Jahre 2015 über die Kontrollperi-
ode 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2014 eine Einschät-
zungsmitteilung betreffend allfälliger in der Kontrolle fest-
gestellter zusätzlicher Mehrwertsteuerforderungen, insbe-
sondere für das Steuerjahr 2010, schnell verfügen muss.
Die ESTV muss nämlich berücksichtigen, dass bei Ergrei-
fen von Rechtsmitteln bis an das Bundesgericht nur Zeit bis
Dezember 2020 bleibt, da sonst die in der Kontrolle einver-
langte Mehrwertsteuerforderung für das Steuerjahr 2010
absolut verjährt ist und nicht mehr eingefordert werden
kann. Mit anderen Worten bleiben für die endgültige rechts-
kräftige Festlegung einer zusätzlichen Mehrwertsteuerfor-
derung für die Steuerperiode 2010 rund 5 Jahre und ein paar
Monate! In dieser Periode muss die Einschätzungsmitteilung
erstellt werden, muss bei Einsprache durch den Steuerpflich-
tigen ein Einspracheentscheid gefällt werden, muss bei Be-
schwerde der Steuerpflichtigen an das Bundesverwaltungs-
gericht ein Bundesverwaltungsgerichtsentscheid ergehen
und muss bei Beschwerde an das Bundesgericht ein Entscheid
des Bundesgerichts getroffen werden, damit die Steuerperi-
ode 2010 überhaupt rechtskräftig und damit endgültig im
Sinn von Art. 42 Abs. 6 MWSTG 2010 wird. Anzumerken ist
hier, dass diese verkürzte absolute Festsetzungsverjährung
gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht für kon-
trollierte Jahre vor 2010 gilt, da hier noch die alte 15-jährige
absolute Festsetzungsverjährung Anwendung findet [4].
Damit wird klar, dass sich die ESTV für Diskussionen mit
der Steuerpflichtigen über das provisorische Kontrollergebnis
wenig Zeit nehmen kann, was leider zu einer Eile ohne Weile
führt. Die ESTV wird aufgrund der drohenden Verjährung
schneller als bisher eine Einschätzungsmitteilung verfügen.
Auch die Rechtsmittelinstanzen werden einem noch höheren
Zeitdruck ausgesetzt, um eine Verjährung zu vermeiden.
Die verkürzte Verjährungsfrist hat darüber hinaus zwei Fol-
gen: Erstens muss die Mehrwertsteuerpflichtige dafür sorgen,
dass sie bereits in der Phase der Kontrolle durch die ESTV die
Sachlage und auch ihre mehrwertsteuerrechtlichen Argumen-
te umfassend vorbereitet, damit der Revisor diese Aspekte in
einer frühen Phase der Revision berücksichtigen und prüfen
kann. Auf der anderen Seite muss die Mehrwertsteuerpflich-
tige auch bereit sein, bei einer schnell durch die ESTV gefäll-
ten Einschätzungsmitteilung Einsprache zu erheben, sofern
sie die Einschätzungsmitteilung nicht akzeptieren kann.
Dieser Beitrag soll der Steuerpflichtigen eine Anleitung
insbesondere zu den formellen Aspekten einer solchen Ein-
sprache geben. Damit kann sich die Steuerpflichtige auf die
umfassende Darstellung des Sachverhalts, die Beweismittel
und die übrigen materiellrechtlichen Punkte konzentrieren.
Sie finden deshalb nachfolgend anhand des Aufbaus einer
solchen Einsprache Ausführungen zu den formellen Punkten.
Weiter sind auch Punkte betreffend Sachverhaltsdarstel-
lung, Beweislastverteilung und Auslegung dargelegt, welche
in den materiellen Teil einer solchen Einsprache gehören.