BGE 103 Ib 197

Wehrsteuer; Abgrenzung zwischen abziehbaren Gebäudeunterhaltskosten

gemäss Art. 22 Abs. 1 lit. e WStB und nicht abziehbaren Aufwendungen im

Sinne von Art. 23 WStB.

1. Behandlung von Kosten der Instandstellung eines Gebäudes kurz nach

dessen Erwerb als nicht abziehbare Aufwendungen im Sinne von Art. 23 WStB

(E. 2; Bestätigung der Rechtsprechung).

2. Anwendung dieses Grundsatzes auf Aufwendungen zur Behebung von

Mängeln, die erst nach Erwerb eines Gebäudes entdeckt wurden (E. 3).

3. Berufung auf die im Vertrauen auf die Abzugsmöglichkeit der

Unterhaltskosten getroffenen Dispositionen. Grundsatz von Treu und Glauben

(E. 4).

Sachverhalt

A.- X. kaufte ein Altstadthaus und erwarb im folgenden Jahr auch

noch das Nachbarhaus. Der Kaufpreis für beide Häuser zusammen betrug Fr.

785'000.--. Die Kosten des Ausbaus und der Instandstellung, die auf Fr.

1'455'000.-- veranschlagt worden waren, beliefen sich schliesslich

auf Fr. 2'100'000.--. Die Renovationsarbeiten wurden nach dem Erwerb

der zweiten Liegenschaft im Laufe des Jahres 1971 begonnen und im Herbst

1972 beendigt. In seiner Selbstschatzung für die Steuerjahre 1973/74

beanspruchte X., dass von den gesamten Instandstellungskosten ein Betrag

von Fr. 439'454.-- als Unterhaltskosten gemäss Art. 22 Abs. 1 lit. e

WStB bei der Berechnung des steuerbaren Einkommens abgezogen werde. Die

Veranlagungsbehörde liess nur den Pauschalabzug von Fr. 2'755.--

für 1971 und Fr. 3'035.-- für 1972 zu. Die kantonale Rekurskommission

bestätigte diesen Entscheid unter Berufung auf BGE 99 Ib 362, X. erhebt

Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, der Rekursentscheid

sei aufzuheben und es seien die Auslagen für die Instandstellung der

Liegenschaft im Umfang von Fr. 439'454.-- gemäss Selbstschatzung als

Unterhaltskosten vom rohen Einkommen in der Veranlagung zur Wehrsteuer

17. Periode 1973/74 in Abzug zu bringen. Das Bundesgericht weist die

Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

2.- In BGE 99 Ib 362 hat das Bundesgericht seine frühere Praxis

betreffend den Abzug der Kosten einer unmittelbar nach dem Kauf

einer Liegenschaft vom neuen Eigentümer durchgeführten Renovation

überprüft. Unter Berücksichtigung der in der Steuerrechtswissenschaft

an einem früheren Urteil (ASA 30 S. 375) geübten Kritik (vgl. KÄNZIG,

Wehrsteuer N. 102 zu Art. 22 Abs. 1 lit. e vor allem auch N. 102

im Ergänzungsband 2. Auflage) hat das Bundesgericht die technische

Umschreibung des Begriffs der abzugsfähigen Unterhaltsarbeiten aufgegeben

und die Unterhaltskosten wirtschaftlich definiert. Nur Ausgaben,

die dazu dienen, den vom Steuerpflichtigen ursprünglich erworbenen

Vermögenswert zu erhalten oder wiederherzustellen, sind abzugsfähige

Unterhaltskosten. Soweit aber durch Instandstellungsarbeiten der

ursprüngliche Zustand der Liegenschaft verbessert und ein Mehrwert

geschaffen wird, kommt Art. 23 WStB zur Anwendung. Abzugsfähig sind also

nur jene Kosten, welche eine seit dem Erwerb eingetretene Wertverminderung

aufheben. Bei der Instandstellung eines renovationsbedürftigen Hauses

unmittelbar nach dem Kauf sind in der Regel die gesamten Aufwendungen

wertvermehrend und daher nicht abzugsfähig; denn seit dem Erwerb ist

meistens keine Wertverminderung eingetreten, die jetzt auszugleichen

wäre. Die Instandstellung dient in solchen Fällen der Erhöhung des

Wertes der entsprechend dem damaligen Zustand zu einem niedrigeren Preis

erworbenen Liegenschaft, nicht der Wiederherstellung oder Erhaltung eines

im Eigentum des Steuerpflichtigen bereits vorhandenen Wertes.

An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Sie wird auch in der

Beschwerdeschrift nicht prinzipiell in Frage gestellt. Der Beschwerdeführer

macht jedoch für den Abzug von Fr. 439'454.-- zwei besondere Gründe

geltend: die Notwendigkeit von sogenannten Notreparaturen wegen

verborgener, vor dem Kauf nicht erkennbarer Defekte (unten Erwägung 3) und

die Nichtanwendbarkeit der geänderten Praxis auf die vorher im Vertrauen

auf die Abzugsfähigkeit der Unterhaltskosten getroffenen Dispositionen

(unten Erwägung 4).

Erwägung 3

3.- Im praktischen Ergebnis vertritt der Beschwerdeführer

die Auffassung, als Unterhaltskosten seien nicht nur jene

Instandstellungskosten abzuziehen, welche der Wiederherstellung des

Gebäudewertes dienten, wie er zur Zeit des Kaufes war, sondern auch

alle Aufwendungen, die wegen verborgener, nachträglich entdeckter Mängel

notwendig seien und eigentlich dem übernommenen Gebäude nur den Wert geben,

den es nach der Ansicht des Käufers im Zeitpunkt des Erwerbs haben sollte,

aber wegen der verborgenen Defekte objektiv nicht hatte.

a) Dass im konkreten Fall zwischen dem bezahlten Kaufpreis von

Fr. 785'000.-- und dem objektiven Wert der beiden Liegenschaften wegen

verborgener Defekte eine Differenz von Fr. 440'000.-- bestand, ist in

keiner Weise belegt. Die projektierten und nachher ausgeführten Ausbau-

und Instandstellungsarbeiten kommen finanziell einem Neubau gleich. Der

ursprüngliche Kaufpreis dürfte ungefähr dem Bodenwert entsprechen

(in diesem Sinne auch Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern

vom 8. November 1976 betreffend Staatssteuern S. 9). Dass mit den

Fr. 785'000.-- noch ein wesentlicher Gebäudewert abgegolten wurde, ist

nach den gesamten Umständen unwahrscheinlich. Wäre die Argumentation

des Beschwerdeführers richtig, so hätte er für die beiden Liegenschaften

gesamthaft bei objektiver Bewertung unter Berücksichtigung der nachträglich

entdeckten Mängel nur Fr. 345'000.-- bezahlen müssen. Obschon ihm bereits

im kantonalen Verfahren mit analogen Überlegungen entgegengehalten wurde,

der bezahlte Kaufpreis beziehe sich im wesentlichen auf den Bodenwert,

hat er das nicht zu widerlegen vermocht. Wer eine Altstadtliegenschaft

erwirbt, um sie vollständig um- und auszubauen, nimmt das Risiko verdeckter

Schäden und zusätzlicher, nicht von vornherein erkennbarer Kosten in

Kauf. Bei der Festlegung des Preises wird regelmässig dieses schwer

abschätzbare Risiko berücksichtigt; entscheidend sind Grösse, Lage und

allenfalls der ästhetische Wert der Objekte. Dass im vorliegenden Fall ein

erheblicher Teil - ja sogar mehr als die Hälfte - des Kaufpreises von der

Verwendbarkeit der vorhandenen Bauten bestimmt gewesen sein soll, ist nicht

nachgewiesen und nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht anzunehmen.

b) Selbst wenn der bezahlte Preis wegen verborgener Mängel objektiv

zu hoch gewesen wäre, dann könnten trotzdem die Aufwendungen, welche

durch erst nachträglich feststellbare Defekte veranlasst wurden, nicht

als abzugsfähige Unterhaltskosten qualifiziert werden. Es geht bei den

sogenannten "Notreparaturen" nicht um Wiederherstellung eines vorher im

Besitz des Steuerpflichtigen bereits vorhandenen Wertes, sondern um -

vielleicht unerwartete, aber im Gesamtrisiko inbegriffene - Mehrkosten

der einem Neubau gleichkommenden Renovation. Wer bei einem Neubau wegen

unerwarteter Schwierigkeiten des Baugeländes (z.B. Fels verteuert den

Aushub, Wasserader erfordert zusätzlich bauliche Massnahmen) Mehrkosten

hat, kann diese bei der Veranlagung der Einkommenssteuer nicht in Abzug

bringen. Wird ein bestehendes Altstadtgebäude für die Realisierung eines

Bauvorhabens gewählt, so dienen die gesamten Kosten des Aus- und Umbaus der

Verbesserung des erworbenen Vermögensgegenstandes (Altstadtliegenschaft)

und fallen unter Art. 23 WStB. Liegenschaftspreis und Baukosten bilden

im Grunde die Aufwendungen für die Anschaffung der "neuen", vollständig

renovierten Liegenschaft. Auch der Beschwerdeführer rechnet in dieser

Weise. Die Ausscheidung von abzugsfähigen Unterhaltskosten lässt sich

bei der Realisierung eines solchen Projektes nicht auf Art. 22 Abs. 1

lit. e stützen. Zudem wäre eine befriedigende praktische Ausscheidung der

Kosten angeblicher "Notreparaturen" kaum möglich. Die Vorstellungen des

Bauherrn und seiner Berater über die Verwendbarkeit vorhandener baulicher

Elemente und über die mutmasslichen Kosten des Umbaus bilden keine

brauchbare Grundlage für eine steuerrechtliche Abgrenzung zwischen rein

konservierendem Unterhalt und wertvermehrender Erneuerung. Es entspricht

der wirtschaftlichen Situation, dass in konsequenter Anwendung der in BGE

99 Ib 362 aufgestellten Entscheidungsnorm, dem Beschwerdeführer kein den

Pauschalabzug übersteigender Abzug von Gebäudeunterhaltskosten gewährt

werden kann.

Die steuerrechtliche Gleichstellung desjenigen, der eine

Altstadtliegenschaft umbaut und erneuert, mit dem Käufer einer bereits

renovierten Liegenschaft oder dem Ersteller einer Neubaute ist zumindest

dann gerechtfertigt, wenn die Renovation umfangmässig einem Neubau

gleichkommt.

Erwägung 4

4.- Eine auf sachlichen Gründen beruhende Praxisänderung ist stets

zulässig (BGE 102 Ib 46 f; 100 Ib 71; 96 I 376, 94 I 16, 93 I 259 E. 2b).

Bei Verfahrensfragen verdient allerdings das Vertrauen in eine kantonale

Auslegung insofern Schutz, als demjenigen der etwa eine Frist- oder

Formvorschrift nach der bisherigen Rechtsprechung beachtet hat, aus

einer ohne Vorwarnung erfolgten Praxisänderung kein Nachteil erwachsen

soll (BGE 49 I 302, 56 I 442). In BGE 99 Ib 362 hat das Bundesgericht

nicht die Interpretation einer Verfahrensvorschrift geändert, sondern die

Auslegung des materiellen Wehrsteuerrechts. Während vorher Aufwendungen für

Unterhaltsarbeiten im technischen Sinn, die der Erhaltung eines Gebäudes

im bisherigen Zustand und der Sicherung der Benützungsmöglichkeit dienen,

auch bei Erwerb und nachfolgender Instandstellung eines Renovationsobjektes

als abzugsfähige Unterhaltskosten betrachtet wurden, wird nach der neuen

Rechtsprechung der Begriff des Unterhalts auf die Besitzesdauer des

Steuerpflichtigen bezogen und wirtschaftlich verstanden.

Der Beschwerdeführer beruft sich auf sein Vertrauen in die ihm

bekannte frühere Praxis. Gegen Änderungen der materiellrechtlichen Praxis

gibt es keinen allgemeinen Vertrauensschutz. Es bedarf zusätzlich einer

behördlichen Zusicherung oder eines sonstigen, bestimmte Erwartungen

begründenden Verhaltens der Behörden gegenüber dem betroffenen Bürger,

damit er aus dem Grundsatz von Treu und Glauben einen Anspruch ableiten

kann (Urteil vom 4. November 1970 E. 3a, ASA 41, 332 ff.; vgl. auch

BGE 91 I 136; SAMELI, Treu und Glauben im öffentlichen Recht, ZSR

96/1977 II S. 356, 358 f.). Dem Beschwerdeführer wurden keine bestimmten

Auskünfte oder Zusicherungen über die Abzugsfähigkeit eines Teils der

Instandstellungskosten erteilt. Seine Situation lässt sich auch nicht mit

derjenigen eines Versicherten im Sozialversicherungsrecht vergleichen,

welcher im Vertrauen auf die bisherige Leistungszusprache bereits neue

Dispositionen getroffen hat (BGE 99 V 151 E. 2; EGLI, Treu und Glauben

im Sozialversicherungsrecht, ZBJV 113/1977, S. 392). Es ist im übrigen

auch nicht glaubhaft, dass bei einem Bauvorhaben in der Grössenordnung von

über 2 Millionen Franken (ohne Bodenerwerb) die Vollendung des begonnenen

Werks bzw. der Verzicht auf einzelne Arbeiten nach der Entdeckung gewisser

nicht erwarteter Defekte davon abhängig gewesen sei, ob allenfalls ein

Betrag von rund Fr. 440'000.-- im Rahmen der Einkommenssteuerveranlagung

abgezogen werden könne. Wäre dieser erhoffte steuerliche Vorteil für

seine Dispositionen tatsächlich von entscheidender Bedeutung gewesen, dann

hätte der Beschwerdeführer sich durch eine Erkundigung bei den zuständigen

Behörden Gewissheit verschafft. Der Nachweis, dass er nur im Vertrauen

auf die frühere Praxis das Bauvorhaben ohne Reduktion ausführen liess

und in Kenntnis der fehlenden Abzugsmöglichkeit anders disponiert hätte,

ist keineswegs erbracht, weshalb auch aus diesem Grund die Berufung auf

den Grundsatz von Treu und Glauben ausscheidet.