Gesetzesmaterialien zu Art. 15 MWSTG 2010

Parlamentarische Beratungen

Die parlamentarischen Beratungen des MWSTG 2010 aus dem Jahr 2009 finden sich hier: Parlamentarische Beratungen

Gesetzesfahne

Die Gesetzesfahne zeigt die durch das Parlament diskutierten Änderungen des Gesetzestextes verglichen mit dem Botschaftstext.

Botschaft 2008

Unten finden sie den Botschaftstext zu dieser Bestimmung. Die ganze Botschaft finden sie unter diesem Link: Botschaft 2008

BBl 2008, S. 6956 f.

Absatz 1 Buchstaben a, b, e und f entsprechen dem bisherigen Artikel 32 Absatz 1 Buchstaben a–d MWSTG.

Absatz 1 Buchstabe c wurde insofern geändert, als die Haftung im Zusammenhang mit dem Austritt aus der Gruppenbesteuerung eingeschränkt worden ist. In dieser Situation besteht neu nur noch eine solidarische Haftung für Steuerschulden, welche sich aus den eigenen unternehmerischen Aktivitäten des austretenden Unternehmens ergeben. Das heisst, das austretende Unternehmen haftet nur noch für diejenigen Steuerschulden der Gruppe, die auch bei seiner selbstständigen Besteuerung angefallen wären. Diese Änderung wurde bereits im Bericht «10 Jahre MWST» aufgenommen und entspricht einem ausgewiesenen Bedürfnis der Steuerpflichtigen. Es soll dadurch insbesondere die Übernahme einer Gesellschaft aus einer Gruppe erleichtert und damit generell die Attraktivität des Instituts der Gruppenbesteuerung gesteigert werden (Art. 13 E-MWSTG).

Absatz 1 Buchstabe d ist neu. Es wurde der letzte Satz von Artikel 30 Absatz 2 MWSTG aufgenommen. Im Zusammenhang mit der Einführung des Fusionsgesetzes und der Änderung des Obligationenrechts wurde auch die Haftung von zwei auf drei Jahre erhöht. Mit der vorgenommenen Änderung werden die Bestimmungen des Fusionsgesetzes und des Obligationenrechts in das Mehrwertsteuergesetz überführt.

Die Absätze 2, 3 und 5 entsprechen dem bisherigen Artikel 32 Absätze 2, 3 und 4 MWSTG. Im Verhältnis zur Vernehmlassungsvorlage wurde deren Reihenfolge systematisch besser geordnet.

Absatz 4 ist neu. Die Steuerpflichtigen haben bezüglich der MWST eine treuhänderische Funktion und leiten Geld weiter, welches im Zeitpunkt der Fälligkeit direkt und ausschliesslich dem Bund zusteht (Urteil des Bundesgerichts 2A.344/2002 vom 23. Dezember 2002). Die Finanzierung insbesondere von KMU erfolgt heute häufig durch Forderungsabtretung (sogenanntes Factoring). Die Steuerpflichtigen zedieren zur Kreditsicherung ihre gesamten Forderungen (Globalzession), die sie gegenüber ihren Kunden und Kundinnen aus von ihnen erbrachten Lieferungen und Dienstleistungen haben, an eine Drittperson (in der Regel ein Finanzierungsinstitut). In diesen Forderungen ist auch die MWST enthalten, welche an sich nicht abtretbar ist. In Zwangsvollstreckungsverfahren kommt der Bund dadurch oft zu Verlust. Der Zessionar (also z.B. die Bank) erhält die in den Forderungen enthaltene Steuer; er ist aber nicht zur Ablieferung an den Bund verpflichtet. Der Zessionar erzielt dadurch einen ihm nicht zustehenden finanziellen Vorteil. Die ESTV kann nicht nur die MWST nicht einziehen, sondern muss dem steuerpflichtigen Kunden oder der steuerpflichtigen Kundin des Zedenten noch die Vorsteuer zurückerstatten. Mit der neuen Bestimmung soll einerseits gewährt bleiben, dass die KMU zur Kreditsicherung auch künftig ihre Forderungen zedieren können, ohne komplizierte Mehrwertsteuerausscheidungen vornehmen zu müssen. Es soll aber auch sichergestellt werden, dass die vom Konsumenten oder von der Konsumentin entrichtete MWST dem Bund zukommt. Die Neuregelung bringt für den Zessionar gegenüber der heutigen Situation keinen Nachteil. Die ESTV muss die Steuer vorgängig bei der steuerpflichtigen Person (dem Zedenten) einzuziehen versuchen und kann erst dann, wenn sie zu Verlust gekommen ist, auf den Zessionar greifen. Die subsidiäre Haftung tritt dann ein, wenn die Steuerforderung bei der steuerpflichtigen Person erfolglos geltend gemacht wurde. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn:

– die ESTV die steuerpflichtige Person erfolglos betrieben hat (Art. 88 E-MWSTG). Hier erhält die ESTV für den nicht gedeckten Betrag einen Verlustschein;

– die ESTV die Steuerforderung in ein Konkurs- oder in ein Nachlassverfahren gegen die steuerpflichtige Person eingibt und die Steuerforderung in diesen Verfahren nicht oder nicht vollständig gedeckt wird. Hier erhält die ESTV nur im Falle eines durchgeführten Konkursverfahrens einen Verlustschein für den nicht gedeckten Betrag. Im Falle einer Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven wird kein Verlustschein ausgestellt; gleich verhält es sich bei einem Nachlassverfahren.

Eine solche Haftungsbestimmung ist auch in europäischen Ländern anzutreffen. § 13c D-UStG sieht diesbezüglich sogar eine solidarische Haftung vor.

Heute entstehen dem Bund jährliche Verluste von durchschnittlich 300 Millionen Franken mit steigender Tendenz aufgrund nicht einbringbarer Mehrwertsteuerforderungen. Der Verlust aufgrund der heutigen Zweiteilung des Netto-Allphasensystems ist in diesen Verlusten noch nicht enthalten. In der Schweiz liegen keine Zahlen vor bezüglich Unternehmen, welche gelöscht werden, um danach wieder ein neues zu gründen. Da keine aussagekräftigen Zahlen vorhanden sind, kann die mögliche Verminderung der Steuerausfälle durch den vorliegenden Gesetzesvorschlag nur geschätzt werden. Sie dürfte im Bereich eines zweistelligen Millionenbetrages liegen.